Donnerstag, Juni 15, 2006

Noch 'n Würstchen.

Hier kommt die Story

Ich bin sauer.

Ich habe Schmerzen.

Ich bin verletzt.

Ich lei-de… .



Ich habe mir auf die Zunge gebissen!



Aber nicht vorne auf der Spitze, da wo es nur zu einem spitzen Schmerz führt, der kurz aufflammt und dann wieder verschwindet. Nein, ich habe mich auf die Zungenwurzel gebissen. Das ist ein Schmerz, der lange anhält. Das ist ein Schmerz, da möchte man auf die Knie sinken und schreien. Schreien geht aber nicht, weil man sich auf die Zunge gebissen hat. Es kommt nur ein blödes Röcheln raus. So ein Mist. Da kann dem Empfinden nicht mal angemessen Ausdruck gegeben werden. Ich hasse das, wenn ich nicht mitteilen kann, wie w_e_h mir das tut.

Und ihr mir Euer Mitgefühl nicht mitteilen könnt. Dabei denke ich natürlich nur an Euch. Ich bin völlig selbstlos.

Da hat man den ganzen Tag was von. Jedes mal wenn ich was esse, wenn ich was schlucke, wenn ich nur meinen Speichel runter schlucke, tut es weh.

Und schuld daran ist mein Metzger.

Das kam so: Ich habe meine Jüngsten zum Kindergarten gebracht. Soweit alles gut. Da ich nun zu denen gehöre, die zuhause selten vernünftig Frühstücken, eigentlich nur eine Tasse Kaffee, schwarz ohne Zucker, also Seele und dabei die Todesanzeigen im Stadtanzeiger lese, kommt es vor, dass ich manchmal einen richtigen Heißhunger bekomme.

Wenn ich dann vom Kindergarten wieder zurückgehe, komme ich an der Metzgerei K. vorbei. Eine richtig tolle Metzgerei. Genauso wie meine Generation sie noch von früher kennt. Der Seniorchef schneidet das Fleisch, die Angestellten sind freundlich und hilfsbereit und vor allem: die Qualität ist meist hervorragend. Mittwochnachmittag wird zugemacht und mittags gibt es noch eine Pause. Für die Kunden genauso, wie für die Angestellten. Wie früher halt und das ohne Nostalgie.

Ich hatte also plötzlich Hunger und der wollte befriedigt sein. Einen Termin hatte ich auch, aber es war noch genug Zeit ein gebratenes Kotelett zu kaufen und auf dem Weg zu meinem Treffen aufzuessen. Also, hinein in den Laden. Der Senior war nicht da. An seiner Stelle. schnitt der Junior das Fleisch. Wir waren vier Kunden im Laden, es waren vier Angestellte da. Es würde wohl schnell gehen.

Drei Kunden waren vor mir. Zwei Hausfrauen und ein älterer Herr.

Der kaufte nach einer längeren Liste ein. Eine der Verkäuferinnen war damit beschäftigt, ihm die Wurst und Schinkenwünsche zu schneiden, abzuwiegen und zu verpacken. Der junge Herr K. war damit beschäftigt für ihn Rouladen zu schneiden, eine dritte Verkäuferin damit, Suppenknochen und Schweineklein aus dem Kühlhaus zu holen. Für uns andere Kunden stand also nur eine, wenn auch sehr bemühte Verkäuferin zur Verfügung. Soweit war noch alles in Ordnung. Auch schien sich der Einkauf des älteren Herrn dem Ende zu nähern. Langsam wurde mir die Zeit knapp. Wenn ich jetzt dran kam, war es noch zu schaffen. Und ich hatte mir auch schon eines der Koteletts ausgesucht. Dünn, dunkel, knusprig.

So, er war fertig, musste nur noch zahlen. Er hielt kurz ein, schaute noch mal auf seine Liste. Inzwischen hatte sich auch der Laden gefüllt. Er schaute die junge Verkäuferin an und meinte: "War das eigentlich Knochenschinken, oder Kernschinken, den ich da gekauft habe?"

"Das war der Knochenschinken.", kam die Antwort.

"Dann hätte ich gern noch was von dem Kernschinken."

In dem Moment konnte ich mich nicht mehr zurückhalten. Ich hatte Hunger, hatte jetzt fast 20 Minuten gewartet. Und jetzt es ging wieder von vorne los.

"Und noch 'n Würstchen.", sagte ich und, "tschö, bis zum nächsten Mal.", sagte ich.

Ich sagte das nicht böse. Ich merkte, ich war gar nicht böse auf die Leute von Herrn K. . Sie machten es richtig, nur dass sie sich alle von nur einem Kunden vereinnahmen ließen,

Es nützte aber nichts. Was mache ich mit meinem Hunger? Der war inzwischen heftiger geworden und die Zeit drängte. Über die große Straße rüber, da war ein Supermarkt. In dem gibt es eine Bäckerei. Wie fast alle Bäckereien heutzutage, gibt es auch belegte Brötchen. An die Theke gegangen. Brötchen bestellt, bezahlt, raus gegangen und angefangen das zu essen. Gierig, hungrig und während des Gehens. Als es zu zwei Dritteln runter geschlungen war, passierte es: Feste zugebissen, gestolpert und dann kam das Schmerzröcheln.

Es war passiert: Ich hatte mir ganz weit hinten auf die Zunge gebissen! Das Gefühl hielt dann auch den ganzen Tag lang an. Immer wenn ich was trank, tat es weh. Immer wenn ich was aß, tat es weh. Und überhaupt - es tat weh.

Wie ich das hasse...!

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Ich bin ein enthusiastischer Misantrop und Agniologe.